To Our People,
The Communist Party of Turkey is closely monitoring recent developments, which have accelerated following statements by MHP (Nationalist Movement Party) leader Devlet Bahçeli, intensified with the jihadist group HTS (Hay’at Tahrir al-Sham) taking control of Damascus with the support of various countries in Syria, and entered a new phase with the written statement from Abdullah Öcalan. Our party’s authorized committees are evaluating this process in all its dimensions. Today, we would like to share some of our observations:
1. The cessation of the conflicts—referred to as the “silencing of the guns”—is a development that cannot be opposed. These conflicts have led to the estrangement of citizens based on ethnic origins, dragged them into a bloody confrontation, divided the working people, and distanced them from real solutions to Turkey’s problems. TKP views calls for peace and any resulting agreements reached or to be reached in this regard as a positive step.
2. However, it is crucial to examine the objectives, basis, and methods of the ongoing process. The statements and positions of the involved parties, as well as our observations on the ground, do not allow us to share the optimism expressed by some circles.
3. First and foremost, the claim that this process is driven by Turks and Kurds is inaccurate. The key players are the political power or the People’s Alliance (ruling alliance led by AKP), and the PKK and its affiliates, which have called for self-termination. A process shaped by certain class, ideological, and political preferences cannot represent all Turkish and Kurdish people. In this context, the phrase “Turkish-Kurdish fraternity,” especially used by government circles, does not reflect reality.
4. The notion that “if Turks and Kurds form an alliance, Turkey will become the most significant power in the region”—an argument put forward a decade ago—is once again being promoted by those involved in the process. However, Turkey’s problems will not be solved by maneuvering within regional power struggles; on the contrary, such moves will only create new challenges. TKP warns that, as in the past, any attempt to advance Turkey’s regional ambitions through a Neo-Ottomanist perspective will come at great cost. The expansionist and conquest-driven strategies that have been openly advocated in the media for months will lead only to disaster for our country and our people. Instead of making claims beyond our borders, we must build an independent, sovereign, and prosperous country within our own territory—where all citizens live in freedom and equality.
5. Similarly, efforts to establish “democracy and fraternity” in Turkey based on religion are extremely dangerous. None of the issues in the public sphere can be resolved through religious references. In fact, many of Turkey’s current problems stem from the erosion of secularism and the influence of religious sects, which feeding off the country just as monopolies do. While TKP firmly upholds freedom of belief and worship as an inalienable human right, we also emphasize that religion must remain separate from politics and state affairs.
6. We are also struck by claims from ruling party circles that this process represents a major step forward for democracy in Turkey. The reality today is starkly different: extreme poverty and deep social inequality prevail, justice has been entirely eroded, and tyranny and unlawfulness have become the norm.
7. Contrary to what is implied in Öcalan’s statement and often asserted by pro-government circles, the PKK is not a Marxist organization. At a time when the self-termination of this nationalist-based organisation is on the agenda, we will not remain indifferent to the government’s cunning attempt to shift the responsibility for the past onto revolutionaries and socialism. Marxism is fundamentally incompatible with nationalism infused with liberalism or with having alliances with the United States or Israel.
8. The Communist Party of Turkey is determined to ensure the fraternity of the oppressed, the poor strata, and the working class by fighting against imperialism, exploitation, monopolies, and the rule of religious sects. We seek to unite the vast majority of Turks, Kurds, and all others—regardless of ethnic origin—who have been deprived of this country’s wealth, not through heroic references to the past but through the realities of today.
Stellungnahme des Zentralkomitees der TKP zum Brief von Öcalan
An unser Volk,
Die Kommunistische Partei der Türkei verfolgt aufmerksam die jüngsten Entwicklungen, die sich nach den Erklärungen des Vorsitzenden der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) Devlet Bahçeli beschleunigt haben, sich mit der Übernahme der Kontrolle über Damaskus durch die dschihadistische Gruppe HTS (Hay’at Tahrir al-Sham) mit Unterstützung verschiedener Länder in Syrien intensiviert haben und mit der schriftlichen Erklärung von Abdullah Öcalan in eine neue Phase eingetreten sind. Die zuständigen Gremien unserer Partei bewerten diesen Prozess in all seinen Dimensionen. Heute möchten wir Ihnen einige unserer Beobachtungen mitteilen
1. Das Ende der Konflikte, das so genannte „Schweigen der Waffen“, ist eine Entwicklung, der man sich nicht widersetzen kann. Diese Konflikte haben zu einer Entfremdung der Bürger:innen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft geführt, sie in eine blutige Konfrontation hineingezogen, die arbeitende Bevölkerung gespalten und sie von wirklichen Lösungen für die Probleme der Türkei entfernt. Die TKP betrachtet die Friedensappelle und die in diesem Zusammenhang getroffenen bzw. zu treffenden Vereinbarungen als einen positiven Schritt.
2. Es ist jedoch wichtig, die Ziele, Grundlagen und Methoden des laufenden Prozesses zu untersuchen. Die Erklärungen und Standpunkte der Beteiligten sowie unsere Beobachtungen vor Ort erlauben es uns nicht, den von einigen Kreisen geäußerten Optimismus zu teilen.
3. Die Behauptung, dieser Prozess werde von Türken und Kurden vorangetrieben, ist zunächst unzutreffend. Die Hauptakteure sind die politische Macht bzw. die Volksallianz (Regierungsbündnis unter Führung der AKP) sowie die PKK und ihre Mitgliedsorganisationen, die zur Selbstauflösung aufgerufen haben. Ein Prozess, der von bestimmten klassenbezogenen, ideologischen und politischen Präferenzen geprägt ist, kann nicht das gesamte türkische und kurdische Volk repräsentieren. In diesem Zusammenhang spiegelt der Begriff „türkisch-kurdische Brüderlichkeit“, der insbesondere von Regierungskreisen verwendet wird, nicht die Realität wider.
4. Die These, dass „die Türkei zur wichtigsten Macht in der Region wird, wenn Türken und Kurden ein Bündnis eingehen“ – ein Argument, das bereits vor zehn Jahren vorgebracht wurde – wird von den an diesem Prozess Beteiligten erneut vertreten. Die Probleme der Türkei können jedoch nicht durch Manöver in regionalen Machtkämpfen gelöst werden, im Gegenteil, solche Manöver schaffen nur neue Herausforderungen. Die TKP warnt davor, dass wie in der Vergangenheit jeder Versuch, die regionalen Ambitionen der Türkei durch eine neo-osmanische Perspektive voranzutreiben, einen hohen Preis haben wird. Die seit Monaten in den Medien offen propagierten Expansions- und Eroberungsstrategien können für unser Land und unser Volk nur in die Katastrophe führen. Statt Ansprüche jenseits unserer Grenzen zu erheben, müssen wir ein unabhängiges, souveränes Land in Wohlstand auf unserem eigenen Territorium aufbauen, in dem alle Bürger:innen in Freiheit und Gleichheit leben.
5. Auch die Bestrebungen, in der Türkei „Demokratie und Brüderlichkeit“ auf religiöser Grundlage zu etablieren, sind äußerst gefährlich. Keines der Probleme im öffentlichen Raum kann mit religiösen Bezügen gelöst werden. Tatsächlich sind viele der heutigen Probleme der Türkei auf die Aushöhlung des Laizismus und den Einfluss religiöser Sekten zurückzuführen, die das Land wie Monopole ausbeuten. Die TKP verteidigt die Glaubens- und Religionsfreiheit als unveräußerliches Menschenrecht, betont aber auch, dass Religion von Politik und staatlichen Angelegenheiten getrennt bleiben muss.
6. Wir sind auch erstaunt über die Behauptungen aus Kreisen der Regierungspartei, dieser Prozess sei ein großer Schritt für die Demokratie in der Türkei. Die Wirklichkeit sieht heute ganz anders aus: Es herrschen extreme Armut und tiefe soziale Ungleichheit, das Recht ist völlig ausgehöhlt, Tyrannei und Gesetzlosigkeit sind zur Normalität geworden.
7. Die PKK ist keine marxistische Organisation, wie die Erklärung Öcalans suggeriert und von regierungsnahen Kreisen oft behauptet wird. In einer Zeit, in der die Selbstauflösung dieser nationalistisch geprägten Organisation auf der Tagesordnung steht, wird uns der listige Versuch der Regierung, die Verantwortung für die Vergangenheit auf die Revolutionäre und den Sozialismus abzuwälzen, nicht gleichgültig sein. Der Marxismus ist grundsätzlich unvereinbar mit einem liberal durchsetzten Nationalismus oder mit Bündnissen mit den USA oder Israel.
8. Die Kommunistische Partei der Türkei ist entschlossen, die Brüderlichkeit der Unterdrückten, der armen Schichten und der Arbeiterklasse durch den Kampf gegen Imperialismus, Ausbeutung, Monopole und die Herrschaft religiöser Sekten zu sichern. Wir streben danach, die große Mehrheit der Türken, Kurden und alle anderen – unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft -, die um die Reichtümer dieses Landes betrogen wurden, nicht durch heroische Verweise auf die Vergangenheit, sondern durch die Realitäten von heute zu vereinen.
tkp.org.tr